Sozialstaat in Bedrängnis – Wie wir ihn absichern und verbessern

Bei meinem Besuch in Rottweil stand der Austausch über einen guten Sozialstaat im Mittelpunkt.
Den Alltag der Menschen in diesem Land konkret verbessern und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen – das ist Aufgabe von Politik.

Ein wichtiges Anliegen von uns Grünen und auch mir ganz persönlich ist die bessere Unterstützung von Familien. Darüber konnte ich mich am Nachmittag mit der Leitung des Kinder- und Familienzentrums Himmelreich Jessica Mayer und ihrer Stellvertreterin Damaris Gradt sowie Kirchenpfleger Andreas Schmötzer austauschen. Sie erleben bei ihrer täglichen Arbeit, wie wichtig frühkindliche Bildung und die Unterstützung von Familien für ein gutes Aufwachsen ist.

Das Familienzentrum macht vielseitige Angebote für Eltern und ihre Kinder. Ein Schwerpunkt wird auf Gemeinschaft und Austauschmöglichkeiten zwischen den Eltern gelegt. Es gibt Kurse zu Ernährungs- und Erziehungsfragen. Das Familienzentrum arbeitet eng mit der Caritas, der katholischen Erwachsenenbildung und anderen Einrichtungen zusammen. Offen ist das Familienzentrum für alle Eltern, „wir leben hier Willkommenskultur“, so ihr Motto. Dabei sind die Angebote niedrigschwellig und kostenlos, um möglichst viele Eltern zu erreichen.

Bei unserem Gespräch gab es von den Praktiker*innen viel Zustimmung für die Einführung einer Kindergrundsicherung. Mit dem von Familienministerin Paus vorgelegten Gesetzentwurf sollen diverse Leistungen für Kinder gebündelt werden. Sie sollen einfach und unbürokratisch bei den Familien ankommen. Aus der Holschuld der Eltern wird eine Bringschuld des Staates. Durch Automatisierung und Digitalisierung soll auch der Verwaltungsaufwand in den Behörden reduziert werden. Denn das schrumpfende Fachkräfteangebot gilt es zu entlasten. Als eine der Verhandler*innen für unsere Fraktion werde ich mich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Leistungen bei den Familien auch wirklich ankommen und wir bis in die Mitte unserer Gesellschaft hinein eine bessere Absicherung für Familien erreichen. Gerade Kinder von Alleinerziehenden sind viel zu oft von Kinderarmut betroffen. Das ist nicht nur ein Skandal – die Folgekosten für uns als Gesellschaft sind um ein Vielfaches höher als jeder Euro, den wir heute investieren.

Im Zentrum der Abendveranstaltung auf Einladung des Kreisverbandes der Grünen Rottweil standen die vielen Angriffe auf unseren Sozialstaat, dessen Sicherheitsversprechen ein Grundpfeiler unserer Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhaltes ist. Mit vielen Fakenews wird Stimmung gemacht gegen die verletzlichsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Seien es Arbeitslose, Alleinerziehende, Geflüchtete oder Queere.

Es ist so dringend nötig, wieder auf der Grundlage von Fakten zu diskutieren:

  • Nach Abzug der Miete hat eine vierköpfige Familie, bei der der Vater als Fliesenleger arbeitet, 1.277 Euro mehr als wenn kein Elternteil arbeitet und sie Bürgergeld beziehen.
  • Proportional zur Bevölkerung hat Deutschland auch nicht die meisten Ukrainer*innen aufgenommen – wir liegen nur auf Platz 9 in Europa. Wohin die Menschen aus der Ukraine also fliehen, kann nicht daran liegen, dass sie bei uns Bürgergeld erhalten. Mal abgesehen davon, dass der Wechsel der Ukrainer*innen ins Bürgergeld auch ein Wusch der Kommunen war. Wir entlasten sie so nämlich von Bürokratie und Kosten.
  • Und von den Männern, die 2015 aus Syrien zu uns geflohen sind, arbeiten 86% – mehr als im Durchschnitt der Bevölkerung.
  • Im Übrigen retten Geflüchtete unser Gesundheitssystem gerade! Sie sind mitnichten für dessen Probleme verantwortlich. So wäre die Versorgung in Krankenhäusern ohne die fast 5.000 syrischen Ärzt*innen vielerorts akut bedroht.

Es geht niemandem besser, wenn wir noch etwas mehr Rechte auch nur von einer dieser Gruppen beschneiden.

Was wir brauchen, ist ein Vision von einem Sozialstaat im 21. Jahrhundert. Dieser muss ein Sicherheitsversprechen geben, dass Vertrauen schafft. Und da gibt es durchaus genügend zu tun. Verständlich, unbürokratisch und möglichst digital muss er sein. Und Gerechtigkeitslücken schließen, die es tatsächlich gibt. Ein Baustein dafür ist die Kindergrundsicherung. Wir haben aber noch viel mehr vor. Gut, dass dieser Abend Raum geboten hat für den Austausch, was das Leben und den Alltag der Menschen wirklich verbessert.