Scharfe Debatte um die Aktienrente

(Beitrag nur für Mitgliederbrief)

Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir „in einem ersten Schritt“ 10 Mrd. Euro aus Steuermitteln in den Aufbau eines Aktienfonds zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung einzahlen. Aktuell nimmt die Debatte darüber Fahrt auf und Finanzminister Lindner fordert viel größere Finanzmittel dafür. Wir sehen das sehr kritisch. Da aber auch unser Wahlprogramm einen Bürger*innenfonds, und damit ein Ansparen in Form von Aktien, für die Altersversorgung vorgesehen hat, möchte ich kurz den Unterschied und die Gefahren des Modells von Lindner erläutern:

Unser Bürger*innenfonds hat nichts mit der gesetzlichen Rente, der sogenannten 1. Säule der Altersvorsorge zu tun. Neben dieser 1. Säule gibt es noch Betriebsrenten und private Altersvorsorge. Das sind die sogenannten 2. und 3. Säule der Rentenversicherung. Unser Bürger*innenfond gehört zur 3. Säule, der privaten Altersvorsorge, und sollte v.a. eine Alternative zur sogenannten Riesterrente sein. Hier können Bürger*innen zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung privat vorsorgen und erhalten dafür staatliche Zuschüsse.

Aktuell geht es in der öffentlichen Debatte aber um die erste Säule, also die gesetzliche Rentenversicherung. Hier spart bisher niemand Geld oder Vermögen in Form von Aktien für ihr*sein individuelles Alter an. Stattdessen werden die Renten jeweils durch die Beiträge derjenigen finanziert, die zum gleichen Zeitpunkt Arbeitnehmer*innen sind. Das nennen wir Umlagesystem. Wegen des demografischen Wandels, aber auch wegen rentenpolitischer Entscheidungen von Vorgängerregierungen, reichen die eingehenden Beiträge nicht aus, um alle Rentenleistungen zu finanzieren. Daher gibt es einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt von über 100 Mrd. Euro jährlich.

Was sehen wir kritisch an den Plänen von Lindner:

1.           Das Modell von Lindner entspricht einem Hedge-Fonds: Wir nehmen Schulden auf, um Kapital anzulegen. Zwangsläufig braucht es dann eine höhere Rendite als die Summe, die für Zinsen und Tilgung aufgewendet werden muss. Das konnte vielleicht noch in der Niedrigzinsphase der letzten Jahre funktionieren. Mit steigenden Zinsen steigt aber auch der Druck zur Erhöhung der Rendite. Das wiederum bringt ein höheres Risiko mit sich, bei dem eben auch massive Verluste entstehen können. Schweden wird immer als positives Beispiel angeführt. Dort war ich zu Gesprächen mit dem zuständigen Ministerium. Es hat dort Fonds mit massiven Verlusten bis hin zum Komplettverlust gegeben. Politische Bewertung dort ist grob vereinfacht, dass Bürger*innen mit diesem Risiko umgehen können müssen.

2.           In den Koalitionsverhandlungen haben wir die 10 Mrd. als ersten Schritt zugestanden. Hier sind wir vertragstreu. Diese 10 Mrd. sind aber zur Stabilisierung vorgesehen. Die gesetzliche Rente muss eine sogenannte Nachhaltigkeitsreserve vorhalten, um jederzeit liquide zu sein. Hierfür soll das Geld angelegt werden.

3.           Was Lindner fordert, ist aber etwas ganz anderes. Er möchte, dass Mitte der 2030er Jahre Teile der gesetzlichen Rentenzahlungen, also der bisher umlagefinanzierten 1. Säule der Altersvorsorge, über diesen Fonds erfolgen. Damit das funktioniert, müssten wir 500 – 1000 Mrd. in den Fonds einzahlen. Da gleichzeitig von der FDP jede Debatte über Steuererhöhungen oder eine Reform der Schuldenbremse im Kern erstickt wird, wird am Ende nur eine Geldquelle zum Aufbau dieses Fonds bleiben: die Beiträge der Versicherten. Wie oben erklärt, gehen die Einnahmen daraus aber direkt wieder zurück in die Gesellschaft, nämlich als Rentenleistungen an die heute Berechtigten. Und wie erklärt, braucht es dafür ja auch noch einen großen Zuschuss aus Steuermitteln. Wenn also weniger für die Auszahlung zur Verfügung steht, bleibt nur eins – Rentenkürzungen! Das ist mit uns nicht zu machen.

Gleichwohl sehen auch wir den rentenpolitischen Handlungsbedarf. Wenn die Babyboomer in Rente gehen, gerät das Rentensystem unter Druck. Und schon heute haben wir viele Versicherte, die von Altersarmut betroffen sein werden. Das sind die Bereiche, in denen wir ansetzen wollen. Als Stichworte seien hier nur Finanzierungsgrundlage, Zahl der Versicherten oder aber Mindestbeiträge bei geringen Löhnen genannt. Bei allem bleibt aber das Umlagesystem die krisenfesteste Variante. Und der demografische Wandel hat seine Spitze auch irgendwann überschritten, so dass sich dann das Verhältnis der Rentner*innen zu den Arbeitnehmer*innen, die sie finanzieren wieder verbessern wird. Wir werden auf jeden Fall hart gegen die Schwächung des Umlagesystems kämpfen.