Unüberbrückbare Gräben scheinen sich seit Beginn der Pandemie aufzutun. Jeder kennt die Situation aus dem eigenen Freundeskreis oder der Familie. Warum ist die Auseinandersetzung über die Corona-Maßnahmen derart verhärtet? Worauf sind Teile des Protestes begründet? Die grüne Bundestagsabgeordnete Stephanie Aeffner hatte zu einer Onlineveranstaltung über die Bedeutung von Verschwörungsmythen eingeladen.
Ihre Fraktionskollegin Marlene Schönberger begann mit einem geschichtlichen Rückblick. Herausragende Bedeutung hatten Verschwörungstheorien während des Nationalsozialismus, danach waren sie lange Zeit weniger sichtbar. Nach den Anschlägen in USA im September 2011 bekamen sie wieder größere Aufmerksamkeit. Rasante Verbreitung fanden sie auch seit Beginn der Pandemie. In Zeiten von Unsicherheit suchen die Menschen nach einfachen Antworten. Deshalb werden Verschwörungsideen in Krisenzeiten oft als vermeintliche Erklärung herangezogen.
Antisemitismus ist ein wesentlicher Teil dieser vermeintlichen Weltverschwörungstheorien. Auch als Wissenschaftlerin treibt Marlene Schönberger zudem die Frage um, wie stark sich dabei Antifeminismus Raum verschafft.
Nicht nur in Pforzheim spielen bei den Protesten gegen Coronamaßnahmen rechte Gruppierungen eine zentrale Rolle. Identitäre Kreise versuchen die Krisenzeiten für ihre demokratiefeindlichen Bestrebungen zu nutzen.
Die Warnung von Christian Schmidt vom Bündnis „Pforzheim nazifrei“ war deutlich: „Rechtsradikale und Nationalsozialisten bedienen sich massiv Verschwörungsmythen.“
Die Verbreitung des Opfermythos durch Rechte hat seit Jahren in Pforzheim am 23. Februar Aufwind bekommen. Ein weiterer Höhepunkt der Schändlichkeit war eine Kranzniederlegung bei einer Feierlichkeit zum Volkstrauertag.
Nicht sehr verwunderlich ist die Tatsache, dass rechte Gruppierungen in den Demozügen gegen die Coronamaßnahmen mitmischen. Auch wenn sie anfangs für manche nicht sichtbar waren, befördern rechte Kreise seit Beginn an die Proteste für ihre Zwecke. Sie wollen in der Bevölkerung Misstrauen gegenüber demokratischen Strukturen säen.
Der gelbe Stern, den Juden zu Zeiten des Nationalsozialismus tragen mussten, wird von Coronaleugnern und Impfgegnern instrumentalisiert und seine ursprüngliche Bedeutung ins Lächerliche gezogen. Gleichzeitig wird der Glaube an eine antisemitische Verschwörung wiederbelebt.
Schmidt betonte wie wichtig es ist, in breiten gesellschaftlichen Bündnissen dagegen zu halten. Es müsse verhindert werden, dass den Identitären die Anschlussfähigkeit in die Stadtgesellschaft gelingt.
Dass es nicht leicht ist, Menschen aus dem Glauben an Verschwörungsmythen zurück zu holen, stellte Henry Schulze dar. Aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit weiß er, dass es in vielen Fällen ein zeitaufwändiges Bemühen braucht. Gleichzeitig ermutigte er das Gespräch mit den Menschen im persönlichen Umfeld zu suchen. Mit ehrlichem Interesse und sachlichen Argumenten könnten im Laufe der Zeit auch verloren geglaubte Freundschaften wieder zusammenwachsen. Betroffene unter den Teilnehmern freuten sich über die Anregungen von Schulze und seine weiterführenden Tipps.
„Kritik wird zum Problem, wenn man sich auf keinerlei Faktenbasis mehr verständigen kann“, bekräftigte Stephanie Aeffner die Notwendigkeit zum Dialog. Sie dankte den Teilnehmenden für interessante Fragen und Beiträge und den Referentinnen für ihre fachkundigen Darstellungen.