Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In Ihrer Welt möchte ich ja gerne leben (Anm.: gerichtet an die AfD-Fraktion als Antragstellerin). Ich suche mir einfach einen Teil des Warenkorbes aus, für den ich noch bezahle. Das andere spielt für mich keine Rolle. Denn anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie sagen: Wir gucken nur auf einen Teil der Inflationsrate, sonst fühlen sich die Menschen belogen. – Also muss ich anscheinend für den anderen Teil des Warenkorbes kein Geld mehr ausgeben?
Ja, Inflation ist das Thema, das die Menschen in diesem Land im Moment stark beschäftigt.
Dafür verantwortlich sind zu 50 Prozent die stark gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise.
Allerdings betrifft die Inflation, genau dadurch bedingt, mittlerweile weite Teile des Warenkorbes. Doch anstatt sich mit konstruktiven Vorschlägen zu beschäftigen, wie Politik gezielt Inflation bekämpfen kann und diejenigen entlasten kann, die durch die Inflation in existenzielle Not geraten, beschäftigt sich Ihr Antrag zu den Warenkörben mit der Unterscheidung zwischen gefühlter und nominaler Inflation.
Nachdem Sie also jahrelang über „gefühlte Sicherheitslage“ oder „gefühlte Migration“ gesprochen haben, nehmen Sie nun „gefühlte Inflation“ ins Visier. Mit der Unterscheidung zwischen evidenzbasiert und anekdotisch haben Sie sich ja schon bei anderen Krisenlagen schwergetan.
Nur weil mein Opa, der wie ein Schlot geraucht hat, über 90 Jahre alt ist, kann ich trotzdem nicht die Aussage treffen, dass Rauchen nicht gesundheitsschädlich ist. Das ist der Unterschied zwischen anekdotisch und evidenzbasiert.
Sie fordern nun die zusätzliche Ausweisung der Inflationsrate für Warenkörbe nach österreichischem Vorbild. Der Warenkorb, der der Ermittlung des Verbraucherpreisindexes und der Inflationsrate durch das Statistische Bundesamt zugrunde liegt, enthält eine möglichst repräsentative Auswahl von Gütern und Dienstleistungen. Ihrer Meinung nach fühlen Bürger/-innen beim täglichen oder wöchentlichen Einkauf aber eine andere Inflation als die, die statistisch ermittelt wurde. Sie bräuchten die unterschiedlichen Inflationsraten für ihre Konsumentscheidungen. Wenn man dieser Logik folgt, würden Menschen ihre Konsumentscheidungen ja davon abhängig machen.
Ich weiß: Auch bezüglich des Krieges in der Ukraine vertreten Sie – nennen wir es mal so – abweichende Positionen. Fakt ist, dass Putin die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen hat, und er macht in seinen Äußerungen sehr klar, dass er deren Existenzrecht infrage stellt.
Während alle vor allem steigende Energiepreise durch den Krieg für die Inflation verantwortlich machen, nennen Sie die Geldpolitik der EZB. Vielleicht gehen Sie aber auch davon aus, dass der Krieg bald vorbei ist. Wir sehen das anders, so wie nahezu alle Sicherheitsberater/-innen weltweit: Diese Situation wird länger andauern. Die Menschen haben also gar nicht die Wahl, Konsumentscheidungen zu verschieben. Wenn der Kühlschrank oder die Waschmaschine kaputt ist, dann müssen sie sie ersetzen. Dann spielt auch das eine Rolle für die Inflation, die sie spüren.
Bürger/-innen brauchen handelnde Politiker/-innen. Wir sind durchaus in der Lage, auch ohne diese zusätzliche statistische Größe zu handeln. Wir beschäftigen uns lieber mit Maßnahmen und setzen diese um.
Wir haben den Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger/-innen auf den Weg gebracht. Wir haben den Grundfreibetrag angehoben. Wir haben das 9‑Euro-Ticket auf den Weg gebracht, einen Kindersofortzuschlag und eine Einmalzahlung für Empfänger/-innen von Arbeitslosengeld I und II.
Vor allen Dingen arbeiten wir seit Monaten daran, die einseitige Abhängigkeit von fossilen Energien aus Russland zu beenden. Wir haben gerade heute ein riesiges Paket beschlossen, um mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien die Ursache der Inflation zu bekämpfen.
Hier verleugnen Sie aber das Problem gänzlich. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Sie glauben, mit einem Ende der Sanktionen oder einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 wäre das Problem hier erledigt.
Wir verstehen unseren Auftrag anders. Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass es nicht Schule macht, dass der Stärkere einfach den Schwächeren überfallen kann.
Wir verteidigen internationales Recht, und gleichzeitig arbeiten wir daran, dass wir vor allen Dingen diejenigen schützen, die durch die Inflation in existenzielle Not geraten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir arbeiten an der Einführung der Kindergrundsicherung. Zu all diesen Aufgaben kommt von Ihnen nichts außer Vorschlägen aus der Mottenkiste. Wir arbeiten lieber an Lösungen.