Zum interfraktionellen Kreistags-Antrag „Überforderung der kommunalen Ebene verhindern“ erklärt Stephanie Aeffner, grüne Bundestagsabgeordnete für Pforzheim und den Enzkreis:
„Ich sehe die Herausforderungen für die Kommunen. Wir Grüne setzen uns schon lange für eine bessere Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten ein. Wir halten es für wichtig, dass finanzielle Planbarkeit geschaffen wird und es eine langfristige Finanzierungszusage gibt, die nicht nur von Ministerpräsidentenkonferenz zu Ministerpräsidentenkonferenz reicht. Damit Kommunen nicht immer wieder die gleichen Herausforderungen erleben, halte ich auch Vorhaltepauschalen für ein geeignetes Instrument, damit Kommunen Unterbringungskapazitäten dauerhaft vorhalten können. Auch Fragen der Steuerung von Migration sind in Bearbeitung wie beispielsweise ein europäischer Verteilmechanismus. Hier ist es gelungen, den jahrelangen Stillstand bei den Verhandlungen der europäischen Mitgliedsstaaten zu durchbrechen.
Was aktuell aber niemandem hilft, sind Debatten, die mehr Härte und Leistungskürzungen gegenüber Geflüchteten fordern, aber in der Praxis nicht den Kommunen helfen.
Die im Antrag der Kreistagsfraktionen geforderte Rückgängigmachung des Rechtskreiswechsels würde noch mehr bürokratischen Aufwand der Behörden vor Ort bewirken. Wenn Ukrainer*innen im Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes wären, wäre die Wahl des Wohnorts eingeschränkt, sie hätten keinen direkten Zugang zu Arbeitsmarktmaßnahmen und ihre medizinische Versorgung müsste in jedem Einzelfall erst als notwendig eingestuft und dann einzeln in den Sozialbehörden abgerechnet werden. Das hilft weder den kommunalen Behörden noch begünstigt es eine rasche Integration. Zudem haben Ukrainer*innen durch die Aktivierung der EU-Massenzustrom-Richtlinie das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt, Wohnraum und medizinische Versorgung.
Wenn wir wollen, dass sich Ukrainer*innen möglichst schnell integrieren und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, dann sind sie im SGB II (Bürgergeld) richtig aufgehoben. Denn dort bekommen sie die Unterstützung, die sie für die Arbeitsmarktintegration benötigen. Eine wichtige Voraussetzung für die Beteiligung am Arbeitsmarkt sind Sprachkenntnisse. Viele Ukrainer*innen schließen derzeit ihre Integrationskurse ab und werden in den kommenden Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat erst kürzlich einen „Jobturbo“ für Geflüchtete aus der Ukraine angekündigt. Die meisten sind hochqualifiziert. Es hilft also nicht nur ihnen, wenn wir dafür sorgen, dass sie entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten können. Wir sorgen so dafür, dass die Arbeitsmarktintegration wesentlich nachhaltiger sein wird, als wenn wir sie in schlecht bezahlte, prekäre Jobs vermitteln würden. So schaffen sie es hoffentlich dauerhaft aus dem Sozialleistungsbezug heraus. Es hilft ebenso unserer Wirtschaft, die händeringend Fachkräfte sucht. Und es hilft unseren sozialen Sicherungssystemen, wenn sie entsprechend der höheren Qualifikation verdienen und damit auch mehr einzahlen.
Mit der im Antrag geforderten Rückgängigmachung des Rechtskreiswechsels würden sowohl die Ukrainer*innen aber auch wir als Gesellschaft nur Zeit verlieren. Es stehen dann nicht die Instrumente der Arbeitsförderung zur Verfügung.
Reden wir also gerne über das, was den Kommunen hilft – neben finanzieller Unterstützung, die planbar ist, über bessere Ausstattung der Behörden, schnellere Verfahren und Streichung von Arbeitsverboten. Reden wir auch darüber, dass wir ganz allgemein eine Wohnraumoffensive brauchen. Für bezahlbaren und sozialgebundenen Wohnraum braucht es beispielsweise Haushaltsmittel im Bundeshaushalt. Genauso für eine Unterstützung beim Kitaausbau. Es gibt so vieles zu tun. Ich finde, wir sollten uns nicht mit dem aufhalten, was vor Ort nichts besser macht. Ich hoffe sehr, dass bei der heute stattfindenden Ministerpräsidentenkonferenz all diese Aspekte Raum finden. Denn die Kommunen leisten vor Ort großartige Arbeit, die der Bund im Sinne unserer gesamten Gesellschaft unterstützen muss.“
PRESSEMITTEILUNG 06.11.2023 Stephanie Aeffner MdB