Rede zu Gebärdensprache und Leichte Sprache

Video meiner Rede beim TOP „Kompetenzzentrum Leichte Sprache und Gebärdensprache“ im Deutschen Bundestag zu einem Antrag der CDU/CSU Fraktion

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer*innen!

Wir wollten Deutschland zu einem barrierefreien Land machen und private Anbieter zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichten. Dazu lag nach langen Verhandlungen ein Gesetzentwurf zur Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes vor. Dieser hätte noch diese Wahlperiode verabschiedet werden können. Den öffentlichen Nahverkehr wollten wir barrierefreier machen und ein Kompetenzzentrum Leichte Sprache/Gebärdensprache einrichten. Durch das vorzeitige Ampel-Aus konnten wir all diese Vorhaben bisher nicht umsetzen. Ich freue mich wirklich, dass der Union dieses Vorhaben so wichtig ist, dass sie uns jetzt auffordert, noch diese Wahlperiode einen Beschluss dazu zu fassen. Das steht halt ein bisschen im Gegensatz zu den eben von Jens Beeck zitierten Äußerungen von Friedrich Merz.

Wissen Sie, was aber wirklich peinlich ist? Diese Debatte wird nicht in Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Ich habe mal geschaut: Es gibt einen Newsletter des Bundestages, wo drinsteht, an welchem Tag welche Debatten in Gebärdensprache übersetzt werden. Diese Debatte steht nicht drin. Wir haben ein internes Verfahren vereinbart, wonach über den Ausschuss für Arbeit und Soziales beantragt wird, dass Gebärdensprachdolmetschung bereitgestellt wird. Das haben Sie anscheinend nicht beantragt. Da frage ich mich schon: Was wollen Sie mit diesem Antrag erreichen? Geht es darum, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und damit auch öffentlichen Druck zu erzeugen, dass wir diese Wahlperiode alle gemeinsam noch etwas voranbringen, oder handelt es sich vielleicht doch eher um einen Schaufensterantrag?

Allerdings müssen wir sagen: Da müssen wir alle selbstkritisch sein. Es ist so, dass der Deutsche Bundestag regulär nur die Kernzeitdebatten in Deutscher Gebärdensprache überträgt. Da gibt es noch sehr viel zu verbessern.

Wir haben in der Pandemie lange gebraucht, bis tat[1]sächlich Übersetzungen, zum Beispiel von Pressekonferenzen, in Gebärdensprache stattgefunden haben. Gleichzeitig hat es mich sehr berührt, dass die erste Videobotschaft, die Präsident Selenskyj nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gesendet hat, selbstverständlich in Gebärdensprache gedolmetscht wurde. Es geht also, wenn man will. Seien wir doch alle mutig und setzen zusammen Dinge um, sodass tatsächlich alle Menschen in diesem Land an Politik teilhaben können.

Jetzt schauen wir mal in Ihren Antrag. Sie schreiben, Deutschland hätte als einziges Land in Europa gesetzliche Regelungen zu leichter Sprache und Gebärdensprache getroffen. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Meine Kollegin hat eben schon ausgeführt: Die erste bundesgesetzliche Regelung zur Deutschen Gebärdensprache haben wir 2002 im Behindertengleichstellungsgesetz getroffen. Wer hat es gemacht? Die damalige rot[1]grüne Regierung. Ich selber habe 2014 in Baden-Württemberg das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz verhandelt und wollte zu diesem Zeitpunkt leichte Sprache darin verankern. An wem ist es gescheitert? Am Widerstand der Landrätinnen und Landräte der Union, die gesagt haben: Um Gottes willen, was soll denn leichte Sprache sein? – Das wollten sie nicht im Gesetz.

Dann hat es unter der GroKo in der Tat Veränderungen im Gesetz gegeben, allerdings auf Grundlage von zwei EU-Richtlinien. An dieser Stelle haben wir genau das Mindestmaß umgesetzt: Webseiten und digitale Anwendungen müssen barrierefrei sein. Im European Accessibility Act stand explizit die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, über das Mindestmaß dieser EU-Richtlinien hinauszugehen und private Anbieter von Produkten und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Das wollten Sie damals nicht.

Also nur Dienst nach Vorschrift an dieser Stelle. Im Übrigen: Schauen wir uns doch mal an, wie das in anderen Ländern aussieht. In Österreich sind die gesetzlichen Regelungen viel weitgehender als bei uns. Ich habe mal auf die Homepage Ihrer Fraktion im Deutschen Bundestag geschaut.

Ich habe die Suchbegriffe „leichte Sprache“ und „Gebärdensprache“ eingegeben: Null Treffer an dieser Stelle – leider. Ich sage ja schon lange: Gute gesetzliche Regelungen schaffen gleiche Wettbewerbsbedingungen. Meine Fraktion stellt Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in leichter Sprache zur Verfügung. Sie könnten also genauso mit gutem Beispiel vorangehen. Wir alle wirken mit an der demokratischen Willensbildung in diesem Land. Dann sollten wir auch niemanden davon ausschließen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit Ihrem Antrag, dann lassen Sie uns reden, noch haben wir Zeit in dieser Wahlperiode. Meine Tür steht Ihnen jederzeit offen.