Meine Rede in der Plenumsdebatte zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Mobilität im öffentlichen Personennahverkehr und Schienenpersonennahverkehr für alle gestalten – Barrierefreiheit sichern“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sie alle kennen das: Wir sind ziemlich viel unterwegs auf Veranstaltungen. Aber sind Sie auch sechs Stunden unterwegs, um nicht an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen? Mir passiert so etwas regelmäßig: aufwendig geplant, losgefahren, am Zielbahnhof ist der Aufzug defekt, wieder zurückgefahren, ohne an der Veranstaltung teilgenommen zu haben.
Sie sehen, wir haben zwei Probleme: Die Planung von barrierefreiem Reisen ist viel zu kompliziert, und die Infrastruktur ist bis heute nicht zuverlässig barrierefrei. Wir haben also große Aufgaben. Von daher freue ich mich sehr, dass der Antrag der Union uns heute die Gelegenheit bietet, über dieses wichtige Thema zu debattieren.
Am Anfang der Debatte befinden wir uns allerdings mitnichten. Wir haben soeben mit der Anpassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes eine deutliche Verbesserung beschlossen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Menschen mit Behinderungen vor der Zentrale der Deutschen Bahn in Berlin protestiert haben, weil die Leistungen der Mobilitätsservice-Zentrale eben nicht mehr für alle Verkehrsunternehmen angeboten werden sollten. Damals hat man in mühseligen Verhandlungen eine freiwillige Vereinbarung getroffen. Mit der Umsetzung der EU-Fahrgastrechteverordnung, über die wir heute debattieren, stellen wir das endlich auf verbindliche, rechtssichere Füße. Wir gehen über die EU-Fahrgastrechteverordnung sogar hinaus; wir haben sie zum Anlass genommen, auch Informationen über barrierefreie Angebote verpflichtend zu machen. Diese Informationen liegen den Unternehmen eh vor. Jetzt müssen sie diese Informationen den Fahrgästen endlich auch zur Verfügung stellen.
Diesen Mut, liebe Union, hätte ich mir bei der Umsetzung von EU-Vorgaben von Ihnen in der letzten Wahlperiode auch gewünscht. Sie haben leider Dienst nach Vorschrift gemacht, als das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz geändert wurde. Damals ging es um Fahrkartenautomaten. Sie sagen jetzt in Ihrem Antrag, die muss man barrierefrei erreichen können. Damals hieß es: Der Fahrkartenautomat muss digital barrierefrei sein. Befindet sich vor ihm eine Stufe, sodass man nicht drankommt? Pech gehabt! Die bauliche Umwelt wollten Sie damals explizit nicht mit in die gesetzlichen Regelungen aufnehmen, obwohl die EU-Vorgaben das explizit vorgesehen haben.
Aber schön, dass Ihr Mut heute weiter geht.
Wir haben die Bundesinitiative Barrierefreiheit gestartet. Wir wollen endlich auch Private zu Barrierefreiheit verpflichten, wozu natürlich auch private Verkehrsunternehmen gehören. Die Ausnahmen, die bisher in den Nahverkehrsplänen möglich sind, schaffen wir zum Jahr 2026 ab.
Auf einen Aspekt in Ihrem Antrag möchte ich noch eingehen. Sie fordern die Beteiligung der Organisationen und Verbände von Menschen mit Behinderungen. Ich komme selber ursprünglich aus einer solchen Organisation, kann das also nur unterschreiben. Eine Sache verwundert mich allerdings schon sehr: Sie fordern mal eben, die Vorgaben für Rampen zu ändern, sodass nicht 6 Prozent, sondern bis zu 10 Prozent Neigung möglich sind. Ich weiß nicht, Sie können sich meinen Rollstuhl gerne einmal ausleihen und ausprobieren, wie es ist, eine fast doppelt so große Steigung mit dem Rollstuhl hochzufahren. Es ist schwierig. Aber Barrierefreiheit ist definiert als: grundsätzlich ohne fremde Hilfe. Genau das erfüllt Ihre Forderung nicht. Vielleicht wäre es schön gewesen, wenn Sie sich beim Schreiben Ihres Antrags von Organisationen von Menschen mit Behinderung hätten beraten lassen; dann würden Sie Standards nicht mal eben eindampfen wollen.
Was ich allerdings positiv vermerke: Sie wollen sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, werden all die Änderungen, die wir vorhaben, konstruktiv begleiten und dann hoffentlich auch im Bundesrat zustimmen.
Herzlichen Dank.