Rede im Bundestag zu Änderungen im Sozialgesetzbuch

Stephanie Aeffner hält Rede im Bundestag zu Sozialgesetzbuch

Meine Rede im Video

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen! Vor allem aber liebe Bürger*innen da draußen!

Herr Aumer, ich muss schon sagen: Dass ausgerechnet die Union hier kritisiert, dass für Menschen im Sozialhilfebezug zu wenig getan wird, verwundert mich doch etwas, weil es doch genau die von Ihnen geführten Regierungen waren, die Ungleichbehandlungen von Menschen im Bürgergeld und in der Sozialhilfe immer verteidigt haben. Aber darauf gehe ich gleich noch genauer ein.

Zugegeben, das vorliegende Gesetz kommt erst mal nicht so spannend daher, weil wir ganz viele rechtstechnische Änderungen und redaktionelle Anpassungen vornehmen, zum Beispiel im Nachgang der Bürgergeldreform, aber auch, damit das SGB XIV reibungslos zum 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Die Anpassungen betreffen eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen; aber sie bieten uns auch die Chance, ein paar inhaltliche Veränderungen vorzunehmen. Und wir können auf Fragen schauen, die sich aus Rückmeldungen der von den Gesetzen betroffenen Bürger/-innen ergeben, aber auch auf Fragen, die noch als Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag offen sind.

Ich will einmal auf das SGB XIV eingehen. Mit dem sozialen Entschädigungsrecht sollen Opfer von Gewalttaten schneller Leistungen erhalten. Verabschiedet wurde es bereits in der letzten Wahlperiode, unter anderem als Konsequenz aus dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016. Das Recht zur Entschädigung von Gewalt- und Kriegsopfern wird damit grundlegend reformiert. Für Opfer von Gewalt bringt es eine Reihe von Verbesserungen, zum Beispiel höhere Entschädigungsleistungen, aber auch die Stärkung des Teilhabegedankens.

Zudem bietet das neue Gesetz mehr Menschen Unterstützung an, beispielsweise auch Opfern psychischer Gewalt oder Menschen, die als Augenzeuginnen und Augenzeugen von Gewalttaten traumatisiert wurden. An diesem Gesetz nehmen wir nun letzte Änderungen vor, sodass es im Januar endlich vollumfänglich in Kraft treten kann.

Opferinitiativen mahnen weitere Verbesserungen an. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie schwerfällig und steinig der Weg ist, um als Opfer von Gewalttaten schnell die erforderlichen Hilfen zu bekommen. Die Reform des SGB XIV aber erfordert den Aufbau von Strukturen und Verfahren. Wir sind auf dem Weg. Ich will mal einen Aspekt herausgreifen: Opfer haben zukünftig das Recht, innerhalb von fünf Werktagen einen Termin in einer Traumaambulanz zu erhalten. Dafür brauchen wir aber eine Vorlaufzeit und auch Ressourcen. Und genau diese Vorarbeiten, die es braucht, damit das Gesetz wirken kann, haben eine Übergangsfrist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes erforderlich gemacht. Und erst wenn es vollumfänglich in Kraft getreten ist, werden wir genau erkennen können, wo denn weiterer Handlungsbedarf besteht. Den Umsetzungsprozess werden wir selbstverständlich aufmerksam begleiten und im Gespräch bleiben.

Kommen wir zum SGB XII, zu der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit. Obwohl hier vorwiegend redaktionelle Änderungen vorgenommen werden, möchte ich doch einmal den Blick auf die Menschen richten, die in der aufgeheizten Debatte um das Bürgergeld leider sehr oft aus dem Blick geraten: Menschen, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten und deshalb entweder nicht mehr oder wegen einer Behinderung oder chronischen Erkrankung nicht arbeiten können. Wir haben im Zuge der Bürgergeldreform für diese Personengruppe einige Verbesserungen auf den Weg gebracht, zum Beispiel die Anhebung des Schonvermögens. Aber es gibt immer noch Ungleichbehandlungen; denn das Schonvermögen ist immer noch niedriger als im Bürgergeld, und das, obwohl die meisten dieser Menschen gar keine Chance haben, aus dem Sozialleistungsbezug herauszukommen. Dabei wäre in meinen Augen ein gewisses finanzielles Polster als Notgroschen für Reparaturen, neue Haushaltsgeräte oder dafür, sich in dieser schwierigen Lebenssituation einfach mal ein schönes Erlebnis zu leisten, viel wichtiger.

Auch die Möglichkeit für erwerbsgeminderte Personen sowie für Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung, mit einer Erwerbstätigkeit ihr Einkommen zu verbessern, wollen wir ausweiten. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart.

In der Rentenversicherung wird jetzt die Möglichkeit eines Eingliederungsversuches geregelt, damit die Betroffenen wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Sechs Monate ändert sich dadurch am Rentenstatus nichts. Doch auch wenn wir schon Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner/-innen auf den Weg gebracht haben, so gilt für die meisten dieser Menschen, dass sie ihre Renten mit Grundsicherung ergänzen müssen. Sie haben sich diese Situation nicht ausgesucht. Und deshalb müssen wir bei der Frage nach Wegen zurück in ein Erwerbsleben nicht nur die Rentenversicherung, sondern auch die Grundsicherung anschauen. Das wird nur wenige betreffen, aber für genau diese Menschen wird es einen großen Unterschied machen. Das ist für mich genau einer dieser Aspekte, die wir bei der Frage der Angleichung von SGB XII und SGB II und bei der Frage von Hinzuverdiensten betrachten müssen.

Der Weg zurück ins Arbeitsleben ist oft kein gerader. Er fängt vielleicht mit einem Ehrenamt an, geht über einen Minijob oder eine Teilzeitbeschäftigung, und manchmal kann es gelingen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Auf dem Weg gibt es aber vielleicht auch Rückschläge. Und manche können dauerhaft nur in geringem Umfang oder gar nicht dazuverdienen. Alleine das verdient Hochachtung. Wenn aber gelten soll, dass es Menschen durch Arbeit besser gehen soll, dann muss das auch für die Grundsicherung gelten.

Wir werden uns alle diese Fragen bei dem hier vorliegenden Gesetz, aber auch bei den noch ausstehenden und im Koalitionsvertrag vereinbarten Schritten der Bürgergeldreform anschauen. Ich freue mich auf die Beratungen mit meinen Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP.

Vielen Dank.