Video der Rede von Stephanie Aeffner
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich finde diese Debatte wirklich traurig.
In der Überschrift der Aktuellen Stunde steht: „Lehre aus der Europawahl“. Ich finde, zu ernsthafter Politik gehört, dass wir alle Demut zeigen und uns alle hinterfragen. Stattdessen werden arbeitslose Menschen benutzt, um Wahlen zu analysieren.
Ich frage Sie: Haben Sie einmal darüber nachgedacht, wie sich diese Menschen angesichts dieser Debatte fühlen?
Ja, wir als Ampelfraktionen haben Hausaufgaben zu erledigen.
Und ja, wir haben uns zu hinterfragen. Aber ich finde, wenn wir so ehrlich sein können, das zuzugeben und zu sagen, dass wir an manchen Stellen nachdenken müssen, dann würde Ihnen das vielleicht auch gut zu Gesicht stehen.
Schauen wir doch einmal: Was hat sich denn bei Ihnen verändert? Europawahlen sind oft Wahlen, bei denen Regierungskoalitionen abgestraft werden. Das war, als Sie regiert haben, nicht anders. Und das kommt normalerweise den demokratischen Oppositionsfraktionen zugute. Sie haben aber sage und schreibe nur 1,1 Prozent dazugewonnen.
Jetzt nehmen Sie als Allererstes das Bürgergeld als Lehre aus der Europawahl und fordern hier eine entsprechende Reform.
Ja, es stimmt, Menschen haben soziale Sicherheit als entscheidend für sich angegeben. Und ja, es stimmt, Menschen haben wirtschaftliche Sorgen. Diese Menschen landen aber nicht bei Ihnen, sondern bei den nicht demokratischen Parteien.
Vielleicht könnten Sie auch einmal fragen, ob das irgendetwas mit der Kampagne zu tun hat, die Sie seit der Bürgergeldreform fahren.
Schauen wir uns doch einmal das Konzept an, das Sie vorschlagen. Sie sagen, die Regelsätze müssten anders berechnet werden. Wie, sagen Sie aber nicht. Sie sagen, der Anpassungsmechanismus sei notwendig gewesen, aber es gebe Akzeptanzprobleme. Sie sagen, Arbeit würde sich nicht mehr lohnen. Das – mit Verlaub – sind Fake News.
Arbeit lohnt sich im Vergleich zu Nichtarbeit immer. Es gibt einen Bereich, wo sich Mehrarbeit nicht besonders lohnt. Wir haben das im Gegensatz zu Ihnen erkannt. Das war nämlich Bestandteil des alten Hartz-IV-Systems, und Sie haben dies in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht einmal angefasst.
Wir haben gerade für junge Menschen an diesen Stellen deutliche Verbesserungen vorgenommen. Einkommen bis 1 000 Euro sind inzwischen deutlich bessergestellt. Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, und auf der Grundlage von Fakten werden weitere Reformschritte kommen. So machen wir das.
Ein weiteres Problem, das Sie ansprechen, ist, dass Menschen gar keine Arbeit aufnehmen wollen. Eine Reduzierung der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit haben Sie in Ihrer Regierungszeit aber überhaupt nicht geschafft. Immer wieder gab es Drehtüreffekte, wonach Menschen aus der Arbeitslosigkeit in niedrig entlohnte, prekäre Jobs gekommen sind und dann wieder in die Arbeitslosigkeit. Und dann greifen Sie den Vermittlungsvorrang auf und wollen ihn wieder einführen. Wir sagen: Menschen sollen qualifiziert werden und eine Ausbildung machen, damit sie in gut entlohnter Arbeit landen
und eben nicht immer wieder im Sozialleistungsbezug. Das haben wir vor einem Jahr eingeführt. Natürlich muss so etwas wirken; denn üblicherweise dauert das Nachholen eines Schulabschlusses oder das Nachholen einer Berufsausbildung ein bisschen Zeit. Also, bevor Sie sagen, dass das, was wir in Qualifizierung und Vermittlung investieren, nicht wirkt, sollten Sie sich vielleicht erst einmal die Wirkungen angucken.
Auch ansonsten haben Sie keinerlei Respekt vor der Lebensleistung der Menschen. Was sagen Sie denn der selbstständigen Hebamme, die sich einen komplizierten Beinbruch zuzieht und deshalb im Bürgergeldbezug landet.
Sie muss sofort aus ihrer Wohnung. – Natürlich landet die im Bürgergeldbezug.
Sie haben keinerlei Respekt vor der Lebensleistung von Menschen.
Wenn Sie sagen, Sie wollen über gute Sozialpolitik diskutieren, dann sollten Sie sich vielleicht auch mal fragen, wie man über gute Sozialpolitik diskutiert, ohne die Menschen in diesem Land gegeneinander aufzuhetzen.