Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir führen hier eine hochemotionale Debatte. Es wird Arroganz vorgeworfen. Es werden Berechnungen in den Raum geworfen, die hinterher wieder korrigiert werden müssen. Ich entschuldige mich bei all den Menschen in diesem Land, die davon betroffen sind; denn die Debatte wird auf ihrem Rücken ausgetragen.
Über wen reden wir denn an dieser Stelle? Über 60 Prozent der Menschen, die arbeitslos werden, finden innerhalb von einem Jahr wieder einen Job; sie kommen also gar nicht in den Bürgergeldbezug. Weitere 20 Prozent der Menschen haben nach zwei Jahren wieder einen Job. Hier kommt jetzt der erste Konflikt mit der Union. Wir sagen: Wir wollen zwei Jahre Karenzzeit, dass Menschen zwei Jahre ihre Wohnung behalten können. – Sie haben ein Positionspapier Ihrer AG vorgelegt, in dem Sie diese Zeit auf ein Jahr begrenzen.
Fragen wir uns doch mal, für welche Menschen das im Endeffekt einen Unterschied macht. 200 000 Menschen, die wohlgemerkt am Ende der von uns vorgeschlagenen Karenzzeit wieder einen Job gefunden haben, wollen Sie sagen: Nein, ihr müsst umziehen und eure Wohnung aufgeben, obwohl ihr am Ende dieser zwei Jahre wieder eine Arbeit haben werdet. – 200 000 Menschen, das ist eine Stadt so groß wie Potsdam.
Die gleiche Debatte führen wir beim Schonvermögen. Sie malen Bilder von Menschen, die in unheimlichem Reichtum leben und sich darin gefallen, Bürgergeld zu beziehen.
„Die Zeit“ titelt heute: „Stütze für Reiche?“ – Wie sieht denn die Realität aus? Über 40 Prozent der Menschen in diesem Land haben überhaupt keine Rücklagen.
Aber um wen geht es denn dann in dieser Debatte?
Es geht um Menschen, die zum Beispiel eine Abfindung bekommen, weil sie arbeitslos werden. Es geht um Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben und Rücklagen gebildet haben, und denen sagen wir: Schön, dass ihr das alles getan habt. – Im Übrigen ist das die gleiche Vermögensgrenze, die Sie in der Pandemie selber eingeführt haben und die auch für das Wohngeld gilt.
Jetzt sagen Sie: Das ist zu viel. – Und auch die Entlastung der Jobcenter – darum geht es nämlich auch: dass die Mitarbeitenden nicht an erster Stelle mit Bürokratie beschäftigt sind – lehnen Sie ab.
Im Bürgergeldbezug sind weiterhin Sanktionen enthalten. Wir hätten davon eine andere Vorstellung gehabt; aber es geht doch um die Frage: Wie gehen wir mit der übergroßen Mehrheit der Menschen im Bürgergeldbezug um? Sie schauen immer auf die wenigen, bei denen es Probleme gibt. Wir sagen: Die allermeisten Menschen, nämlich 97 Prozent, wirken mit und arbeiten an der Überwindung ihrer Situation. Genau die wollen wir nicht mehr anlasslos bedrohen; denn wir haben Respekt vor diesen Menschen. Das ist unsere Aufgabe.