Rede bei Plenumsdebatte zu Bürgergeld

Video Parlamentsfernsehen Deutscher Bundestag

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger!

Sehr geehrter Herr Kollege Reichel, ich finde es ja schön, wenn wir gemeinsam die rechte Seite dieses Parlamentes ausgrenzen.

Aber was bitte meinen Sie denn mit der Aussage „Wir schaffen das Bürgergeld ab“? Können Sie diese populistische Forderung auch mit irgendetwas Konkretem hinterlegen?

Was haben wir bei der Bürgergeldreform getan? Die Regelsatzermittlung ist immer noch die gleiche wie zu Ihren Zeiten. Wir haben Sanktionen entsprechend dem Verfassungsgerichtsurteil verfassungskonform im Gesetz verankert.

Dann haben wir vor allen Dingen die Themen Förderung, Vermittlung und Qualifizierung gestärkt, indem wir gesagt haben: Menschen sollen vorrangig eine Ausbildung und Qualifizierung abschließen können.

Es ist doch Irrsinn, Geld in die Hand zu nehmen, um Menschen zu qualifizieren – fehlende Qualifikation ist der häufigste Grund, warum Menschen nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können – und dann zu sagen: Da ist irgendein prekärer Job, brich die Ausbildung ab! Das Geld haben wir dann zum Fenster rausgeworfen.

Was wollen Sie tatsächlich abschaffen? Das würde mich interessieren. Was meinen Sie mit der Überschrift „Bürgergeld muss weg“? Konstruktive Politik sieht anders aus.

Kommen wir zum Antrag der AfD. Exemplarisch für das AfD-Paradox: Die Leidtragenden sind die Wähler*innen der AfD. Heute geht es gegen arbeitslose Menschen. Richtig typisch: Die AfD möchte sie gar nicht unterstützen, sondern sie möchte aussortieren. Dabei sind wir doch auf Fachkräfte so dringend angewiesen.

Liebe Bürger*innen, hören Sie mal gut zu, wen die AfD mit diesem Antrag alles aussortieren möchte:

  • Die alleinerziehende junge Verkäuferin, die auf einen Kindergartenplatz wartet – keinen Anspruch mehr auf Qualifizierung und Vermittlung;
  • den Taxifahrer, der sich das Bein gebrochen hat – keinen Anspruch mehr auf Vermittlung und Qualifizierung;
  • die Sozialarbeiterin, die seit mehreren Jahren ihren schwerkranken Mann pflegt – keinen Anspruch mehr auf Vermittlung und Qualifizierung;
  • den Schulabbrecher, der als Kind kranker Eltern bisher andere Sorgen hatte als den Schulabschluss – keinen Anspruch mehr auf Vermittlung und Qualifizierung;
  • stellen Sie sich vor: Es ist vielleicht schlau, dass zum Beispiel eine Frau, während sie auf einen Kindergartenplatz für ihr Kind wartet, gleichzeitig eine Sprache lernt, sich qualifiziert. Das geht nämlich auch, indem ich Menschen in Teilzeit unterstütze. Sie sortieren sie lieber aus.

Diese Zeiten hatten wir in dieser Gesellschaft schon einmal, als wir die Menschen in gute Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter und unwertes Leben eingeteilt haben.

Das hat zu 75 Millionen Toten geführt.

Zu dieser menschenverachtenden Politik will ich nie wieder hin.

Wir müssen Menschen zusammenführen, anstatt sie weiter auszusortieren.

Vielen Dank.