Video meiner Rede:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich glaube, ich muss als Allererstes mal ein bisschen sortieren. Der MPK-Beschluss enthält einen Prüfauftrag und nicht die Vorgabe, dass wir Bundesgesetze ändern müssen. Vielmehr ist dort festgehalten, dass wir entsprechend prüfen werden.
Und wir haben es gehört: Viele haben Bezahlkarten längst eingeführt. Ich weiß nicht, ob Sie das vergessen haben, seitdem Sie nicht mehr regieren: Aber unser Auftrag ist Gesetzgebung, und zur Gesetzgebung gehört Prüfung, verfassungsrechtliche Abwägung, Folgenabwägungen.
Und genau das tun wir. Es gibt einen Entwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in dem Prüfaufträge enthalten sind, die wir jetzt gemeinsam bearbeiten.
Es ist im Übrigen der Landrat aus Ihrer Partei im thüringischen Eichsfeld, der gegenüber der „Welt“ gesagt hat, er verstehe die Grünen, er brauche gar keine bundesgesetzliche Änderung. Ihm reiche das Asylbewerberleistungsgesetz, um die Bezahlkarte einzuführen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Aeffner, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Stracke?
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja.
Stephan Stracke (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gerade davon gesprochen, dass es im Rahmen des Beschlusses zwischen den Regierungschefs der Länder und dem Bundeskanzler nur um Prüfaufträge geht. Ich darf aus dem Beschluss vom November zitieren:
„Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig in der Zielsetzung, Barauszahlungen an Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einzuschränken und damit auch Verwaltungsaufwand bei den Kommunen zu minimieren.“
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lesen Sie weiter!
Stephan Stracke (CDU/CSU): „Hierzu soll eine Bezahlkarte eingeführt werden. Sollten dafür angesichts der konkreten Ausgestaltung der Bezahlkarte gesetzliche Anpassungen notwendig sein,“
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha, „sollten“!
Stephan Stracke (CDU/CSU): „wird die Bundesregierung diese zeitnah auf den Weg bringen.“
Das ist aus dem MPK-Beschluss vom November. Der Beschluss vom 31. Januar dieses Jahres enthält – Zitat: „Die Länder danken dem Bund, dass er sie bei der Einführung der Bezahlkarte unterstützt und sich bereiterklärt hat, die in der Anlage aufgeführten notwendigen Änderungen schnellstmöglich umzusetzen.“ Das ist alles kein Prüfauftrag, Frau Kollegin. Stimmen Sie mir zu, dass diese Beschlusslage keine Prüfaufträge enthält?
Stephanie Aeffner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie die Entwicklung an dieser Stelle aufgezeigt haben. Im November war die Frage: Sind bundesgesetzliche Änderungen erforderlich? Sie haben es selber vorgelesen: „Sollten“ bundesgesetzliche Änderungen erforderlich sein; im Beschluss vom November steht nicht drin, dass sie erforderlich sind. Dann ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt worden – der Bund hat mitgearbeitet –, die Ende Januar fertig war.
(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Mit einer Formulierungshilfe des BMAS geheilt!)
Gleichzeitig sind trotzdem Länder wie Bayern vorgeprescht und haben Fakten geschaffen. In der jetzigen MPK ist es beschlossen worden. Deshalb gibt es eine Formulierungshilfe, die einen Prüfauftrag enthält. – Nein, die Formulierungshilfe ist den Fraktionen zugestellt worden mit Fragen, die wir noch zu beantworten haben.
Und ich würde gerne darauf eingehen, warum wir tatsächlich Fragen in diesem Punkt zu klären haben.
Sie schauen immer darauf, welche Leistungen Geflüchtete bei uns in diesem Land bekommen und begründen das alles migrationspolitisch. Ich finde aber, wir sind den Menschen in diesem Land noch etwas ganz anderes schuldig, nämlich Integration.
Und Integration heißt, dass Menschen einen Bildungsweg gehen können, dass sie Berufsabschlüsse erwerben können, um irgendwann ihren Lebensunterhalt selber verdienen zu können. Denn das ist genauso unser Auftrag: dafür zu sorgen, dass Menschen nicht dauerhaft von Sozialleistungen abhängig sind. Auch das schulden wir den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land. Und genau diesen Auftrag vergessen Sie bei dem, was Sie hier in den Raum stellen, völlig.
Ich würde das gerne an ein paar Beispielen deutlich machen. Es gibt einen von mir sehr geschätzten Kollegen von Ihnen, Michael Blume aus Baden-Württemberg, der 2015 in Baden-Württemberg ein Jesidinnen-Hilfsprogramm ins Leben gerufen hat. Mit diesem Landesaufnahmeprogramm sind Jesidinnen nach Deutschland gekommen, die wirklich von einem Genozid bedroht waren;allen ist wahrscheinlich Nadia Murad bekannt.
Jetzt frage ich Sie: Werden in Zukunft Menschen noch Wege in Integration gehen können? Denn es sollen zum Beispiel auch Analogleistungsberechtigte eine solche Bezahlkarte erhalten. Das heißt, in einer vierköpfigen Familie hat ein junger Mensch 83 Cent Bargeld am Tag zur Verfügung; wenn es Wirklichkeit wird, was Sie in manchen Bundesländern umsetzen möchten. Ich frage Sie: Kann jemand mit 83 Cent Bargeld am Tag die Kopierkarte in der Uni aufladen? Kann jemand mit 83 Cent Bargeld am Tag das Essen in der Kantine der Berufsschule bezahlen, wo keine Debitkarten akzeptiert werden? Kann jemand mit 83 Cent Bargeld am Tag gebrauchte Bücher kaufen – weil er eh wenig Geld zur Verfügung hat –, um zu lernen, um in einem Beruf anzukommen und seinen Lebensunterhalt selbstständig sichern zu können? Ich finde, auch das sind wir den Menschen in diesem Land schuldig: dass wir Menschen, die jahrelang hier sind, nicht daran hindern, Fuß zu fassen und ihren Teil dieser Gesellschaft zurückzugeben.
Genau das sind Fragen, die wir im Rahmen der Gesetzgebung beantworten.
Eine weitere Frage ist: Wie entlasten wir denn tatsächlich die Kommunen? Denn bei dem, was wir im Bundesgesetz regeln, geht es an vielen Stellen um Ermessensspielräume. Und wenn hier schon juristisch argumentiert wird, sage ich: Ermessen erfordert einen korrekten Gebrauch. Und dann muss ich womöglich in jeder Kommune, in jedem einzelnen Fall darlegen: Habe ich meinen Ermessensspielraum korrekt benutzt? Zum Beispiel, wenn Menschen in einer eigenen Wohnung leben, kein Konto haben, von dem Geld abgebucht werden kann: Wie soll das mit den Stromverträgen gehen? Wie sollen sie einen Telefonvertrag abschließen? Wie sollen sie das 49-Euro-Ticket für Mobilität buchen?
In der Konsequenz heißt das: Wenn wir das nicht ermöglichen, die Kommunen vor Ort aber verpflichtet sind, den Bedarf zu decken, dann müssen einzelne Leistungsberechtigte zur Kommune gehen, die das in jedem Einzelfall entscheiden muss. Wir machen Kommunen also unnötig viel Arbeit.
Unser Auftrag aber ist: Wir wollen Kommunen entlasten, Verwaltung digitalisieren, und wir wollen gleichzeitig die Integration von Menschen befördern.
Das sind wir allen Menschen in diesem Land schuldig, damit Integration gelingt und Menschen auch in Zukunft nach einem erfolgreichen Bildungsweg ihren Lebensunterhalt selbstständig sichern können.